Paläolithische Aufrufung zur Besänftigung nichtmenschlicher Personen

Steinbruch Ludesch, seit Mai 2023
kuratiert von Nadine Moser

Die Arbeit nimmt Bezug auf archäologische Funde von Felsmalerei, die vor etwa vierzigtausend Jahren in Europa entstanden ist. In einer Quasi-Systematik werden die abstrahierten Formen von Tieren nach Art geordnet auf den Felsen gemalt. Der Steinbruch kann kulturgeschichtlich als Interface betrachtet werden, als Schwelle zwischen Fels und Luft, der den Zu- und Umgang mit dem Anderen ermöglicht. Die graphische Notation in der Frühzeit der Malerei beschwor die nicht mit versammelten Mit-Lebewesen. Sie waren damals und sind heute von existenzieller Bedeutung für den Menschen. Der Zweck der Malerei — ihre Besänftigung und die Versicherung ihrer Unterstützung.

Archäologen, Historiker und Psychologen sehen frühzeitliche Artefakte als Anhaltspunkte, um die Wurzeln der menschlichen Spiritualität und Religion zu erforschen und konfrontieren uns mit Fragen zu uns selbst und zu unserem Verhältnis zur Welt. Es existieren glaubwürdige Hinweise, dass wir — unser Körper, unser Geist, unsere Emotionen, in egalitären, gleichberechtigten Strukturen geprägt wurden. Hierarchie, Theismus und Patriarchat existieren nur 0,2% der Menschheitsgeschichte. Der Animismus gilt als Grundzug des menschlichen Denkens, der viel älter ist als der Glaube an Götter. Der Mensch neige ihrer Meinung nach auch heute intuitiv dazu, alles um ihn herum als animiert, beseelt, von Geist erfüllt zu betrachten.

Das Bestreben der Menschen zu allen Zeiten sei gewesen dafür zu sorgen, dass sie von guten Geistern umgeben waren. Unsere animistische Natur bedinge zwei problematische Bereiche, die von früh an spirituelle Intervention nötig machten: das Auftauchen von Krankheiten und das Töten von Tieren.

Es gab immer Schnittstellen zwischen dieser und der anderen Welt: Höhlen, Berge, das Feuer, die Trance, spezifische Artefakte. Die kultische Intervention am Interface dient dazu, gute Geister zu rufen, zu besänftigen, sie um Hilfe zu bitten. Ins Ungleichgewicht geratene Beziehungen mit der immateriellen Welt zu heilen. Wer will oder kann heute in animistischer Weise an Geister, an eine Beseeltheit der Natur glauben? Für viele von uns mag das nicht mehr möglich sein, auch wenn im sogenannten Brauchtum oder der Esoterik ähnliche Ideen gepflegt werden. Wenn uns die guten Geister abhandengekommen sind und wir in urzeitliche soziale Defizite geraten, gibt es einen zeitgemässen Ausweg: Wir sollten in stabile Beziehungen zu echten Menschen investieren, in Beziehungen die auf Gegenseitigkeit beruhen. Und anerkennen, dass alle Lebewesen zu einer allverbundenen Welt gehören. Unserer animistischen Seele leuchtet das sofort ein.

Außendispersion auf Felsen, ca. 3.5×4.5 m